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Euer Podcast rund ums Rollenspiel und Nerdtum

Nur ein Traum

Autorin: Caroline Weber

Altersempfehlung: 16+ Jahre

Lektorin: Elke Staron (... danke Mama!)

Inhalte: seelische u. körperliche Gewalt, erotische Szenen, Sucht, Kindstod

Lesezeit: ca. 10 Minuten

Er schließt die Tür hinter sich zügig und völlig außer Atem. Den ganzen Weg bis nach Hause ist er gerannt, ohne sich umzusehen, ohne anzuhalten. Er wollte ihn abhängen. Während er sich schützend von innen mit dem Rücken gegen die Tür presst, rinnt ihm der Schweiß übers Gesicht. Sein Zopf hat sich unter der Hast gelöst und nun hängen ihm seine schweißnassen, schulterlangen Haare vor dem Gesicht, während er immer noch versucht, zu Atem zu kommen.

Warum nur ist er mit ihm gegangen, er hätte hier bleiben sollen. Hoffentlich hat er ihn nicht hierher gelockt. Er schließt erschöpft seine Augen, ohne sich von der Tür zu lösen. Plötzlich erklingt die helle und zarte Stimme seiner Tochter im Raum, die völlig verschlafen und im Nachthemd vor ihm steht. „Was machst du da?“ Ihre großen blauen Augen betrachten ihn fragend und unschuldig. Er öffnet seine Augen und sieht sie an, während er sich ein Lächeln abringt. „Es ist alles in Ordnung, Liebes.“ Dabei kniet er sich vor sie und umarmt sie liebevoll. Ihre kleinen Arme reichen gerade um seinen Hals und sie hält sich an ihm fest, wobei ihr silbernes Armband leise an seinem Ohr klingelt. „Ich hab dich lieb, Papa.“ Er lächelt traurig und sieht sie dann väterlich an. „Geh wieder ins Bett, Liebes.“

In diesem Moment knallt es gegen die Tür und jemand donnert unaufhaltsam von außen dagegen. Der Türrahmen knackt und die Türangeln biegen sich mit jedem weiteren Knacken immer weiter in den Raum hinein, bis sie letztendlich nachgeben und die Tür aufbricht.

Er reißt seine Augen auf und atmet unwillkürlich ein. Dann blickt er sich in dem dunklen und einsamen Raum um. Es ist still. Sein Bett ist kalt, wie er selbst auch. Er steht auf und schaltet das Licht ein. Die Dunkelheit behagt ihm nicht, auch wenn er allein ist. Der riesige Raum wird geflutet von einem grellen Licht, das zwei Kronleuchter an die weiße Decke werfen. Er geht an seinem Sofa vorbei und direkt zur Bar, um sich einen Whisky einzuschenken, den er in einem Zug leert. Seine langen Haare fallen ihm ins Gesicht und landen fast in seinem Glas, das er vor sich hält, während er sich erneut einschenkt. Dann setzt er sich mit der Flasche und seinem Glas an den riesigen Tresen und beobachtet die schweren Vorhänge, die seine Fenster verhüllen und ihn vor dem Sonnenlicht bewahren. Es ist Tag und er sollte eigentlich schlafen, aber nicht heute. Er wird den Rest des Tages an seinem Tresen sitzen, diese Flasche Whisky leeren und versuchen zu vergessen. Bei Sonnenuntergang wird er sich fertig machen, auf Arbeit gehen, tun, was von ihm erwartet wird, um danach wieder zurückkehren und eine zweite Flasche Whiskey anfangen, die dem Vergessen auf die Sprünge helfen soll. Mit einem vollen Glas in der Hand geht er zum Telefon und ruft den Escortservice an. Zwei junge und gutaussehende Damen sollen ihm helfen, seinen Durst zu stillen. Das Verlangen nach der Essenz des Lebens begleitet ihn seit unzähligen Jahren und durch unzählige Zeiten. Viel zu lange schon führt er dieses Dasein. Doch um es zu beenden, fehlt ihm der Mut. Also geht er zum Bett, um Decke und Kissen zu entfernen. Er mag es nicht, wenn diese beschmutzt werden. Kurz darauf klopft es an seiner Tür. Er nimmt sein Glas zur Hand und lässt die beiden Damen hinein. Mit seinem Blick und ohne Worte suggeriert er ihnen, dass sie sich an ihre Arbeit machen sollen. Nahezu unbeteiligt an ihrem Handeln, leert er sein Glas, während die Damen zunächst sich und daraufhin auch ihn entkleiden. Er nimmt die Whisky-Flasche zur Hand und schenkt das Glas voll. Derweil streichen die Damen lustvoll über ihre und seinen Körper. Unbeeindruckt löst er sich von den beiden und geht zum Bett, um sich halb sitzend am Kopfende zu positionieren und weiterhin aus seinem Glas zu trinken. Etwas verunsichert folgen ihm die Damen und beginnen erneut ihn zu streicheln und küssend seinen Körper zu erkunden. Er hat nicht viel Interesse an den Damen, doch ist es nötig, damit er seinen wahren Durst stillen kann, der Durst nach ihrem Blut. Wenige Augenblicke später beginnt eine der Damen damit, sich rittlings auf ihn zu setzen und so ihre Fleischeslust voranzutreiben. Er leert sein Glas und lässt es achtlos auf der Matratze verweilen, um seine Hand der Dame in den Nacken zu legen und so ihren Körper näher zu sich zu ziehen. Getrieben von ihrer Lust erhöht sie die Geschwindigkeit, mit der sie ihr Becken auf ihm auf und ab bewegt, in der Hoffnung, ihn so befriedigen zu können. Doch das, was er wirklich begehrt, strömt durch ihre Adern, die durch die Anstrengung immer deutlicher zum Vorschein treten. Während sie lautstark zu einem intensiven Höhepunkt gelangt, versengt er gierig seine plötzlich nach vorn schießenden Reißzähne in ihrem Hals. Die Dame ist so sehr in ihrer Wollust gefangen, dass sie den Biss lediglich als lustvolles Knabbern wahrnimmt und erneut aufstöhnt. Er trinkt gerade so viel Blut, dass ihr nicht übel wird. Dann stößt er sie von sich und bedeutet der zweiten Dame, es ihrer Vorgängerin gleich zu tun und ihn zu reiten, bis sie das gleiche Schicksal ereilen wird. Auch sie stößt er danach von sich. Während die Damen sich noch lustgetrieben auf seinem Bett winden, steht er auf und schenkt sich erneut ein. Mit schroffen Ton fordert er sie auf, zu verschwinden. Kurze Zeit später ist er wieder allein und wechselt angewidert das Laken, während er weiterhin den Rest der Whisky-Flasche leert. Nach einer Dusche und zwei weiteren Gläsern wird er wie jeden Morgen feststellen, dass der Alkohol nicht geholfen hat, um zu vergessen und sich volltrunken in sein kaltes Bett legen. Wenigstens hilft es beim Einschlafen.

Der Krach der berstenden Tür bietet ein hohles Echo in der lauwarmen Sommernacht, die draußen herrscht. Er stellt sich schützend vor sein vierjähriges Kind und versucht das bessere Ziel zu sein. „Papa?“ Dann platzt das Ungetüm herein und starrt ihm mit einem eiskalten Blick nahezu in seine Seele. Er versucht standhaft zu bleiben und von der Angst und dem Wimmern seiner Tochter abzulenken, indem er mutig das Wort ergreift. „Verschwinde.“ Das Ungetüm reißt den Mund auf und packt ihn mit einem brutalen Griff, dem er von allein nie entkommen wird, nicht als schwacher Mensch. Die Finger des Monsters drücken ihm die Kehle zu und gerade, als das Monster ihn beißen will, scheint irgendwas es daran zu hindern. Er blickt nach unten und sieht seine Tochter, wie sie dem Ungetüm gegen das Bein boxt. Mit letzter Kraft krächzt er aus seiner zugeschnürten Kehle. „Lillie, nein!“ Dann wird sein Körper plötzlich zur Seite gerissen und das Monster schleudert ihn quer durch den Raum gegen die Schlafzimmertür. Voller Schmerzen bleibt er am Boden liegen und bekommt keine Luft. Die Tür öffnet sich und offenbart dahinter das entsetzte Gesicht seiner Frau.

Er reißt seine Augen auf und spürt, wie sein Herz ihm bis zur Kehle schlägt. Sein gesamter Körper zittert und er kauert sich in seine Decke, als könnte sie ihn irgendwie wärmen und behüten. Er ist allein, das Zimmer ist leer und kalt. Nachdem das Zittern aufgehört hat und die Nacht hereingebrochen ist, steht er auf und schaltet das Licht ein. Er atmet ein paar Mal tief durch und geht ins Badezimmer, um sich frisch zu machen. Seine Hände zittern nach wie vor und er hat die Aufregung aus seinem Traum immer noch nicht überwunden. Er stützt sich am Waschbecken ab und betrachtet sein Gesicht im Spiegel. Ein gutaussehender Mann, begehrenswert mit langen schwarzen Haaren und stahlblauen Augen. Für seine Ansehnlichkeit bringt er keinerlei Interesse auf. Seine Leblosigkeit ist, was er nicht übersehen kann. So verleiht seine fahle Haut und sein toter Blick, der ihm selbst nicht behagt, dieser Situation ihren surrealen Charakter. Entfernt hört er, wie einzelne Wassertropfen von seinem Kinn fallen und ein leises Platschen im Waschbecken hinterlassen. Nach einer Weile nimmt er sich ein Handtuch, trocknet sein Gesicht ab und verlässt das Badezimmer wieder. Einen Moment lang blickt er sich in seinem leeren Raum um und sucht dann wie üblich den Weg zur Bar. Heute wird er nicht arbeiten gehen. Er ist viel zu aufgewühlt und das Letzte, was er jetzt braucht, sind andere Personen um ihn herum. So holt er sich direkt eine frische Flasche Whisky aus dem Schrank, in dem noch etliche weitere Flaschen auf ihn warten und setzt sich stumm auf sein Sofa, während er Glas für Glas leert.

Ein markerschütternder Schrei seiner Frau durchdringt die laue Sommernacht und er dreht sich zitternd wieder dem Ungetüm zu, das nun seine Tochter zwischen seinen Klauen hält. Der Anblick ist so erschreckend, dass ihm das Blut in den Adern gefriert und ihn lähmt. Seine körperlichen Schmerzen sind augenblicklich verflogen und weichem reinem Entsetzen. Das Ungetüm kniet über seiner Tochter und hat seine Zähne tief in ihre zarte Haut am Hals geschlagen, während es ihr gierig das Leben aus den Adern saugt und sich mit ihrem leblosen Körper erhebt. Ihre dünnen Arme hängen schlapp herunter und ihr Armband fällt mit einem leisen Klingeln zu Boden. Ihr junges Blut rinnt dem Ungetüm das Kinn hinab. Seine Frau beginnt leise und klagend zu wimmern. Dann lässt das Ungetüm den kleinen Körper achtlos auf den Boden fallen, als sie ihm nicht mehr genügend Nahrung liefert und reißt seine wilden Augen auf. Seine Fratze bekommt in diesem Moment schon fast menschliche Züge. Langsam und trotz der wiederkehrenden Schmerzen richtet er sich auf, um sich schützend vor seine Frau zu positionieren. Das Ungetüm fängt an laut zu schreien und rammt seine Klauen in einen Holztisch, um ihn wutentbrannt gegen die Wand neben der Schlafzimmertür zu schleudern. Unzählige Splitter verteilen sich im Raum und er hebt schützend seinen Arm vor sein Gesicht. Während das Ungetüm durch den Raum tobt, ergreift er seine Chance. Er nimmt einen großen, pflockartigen Splitter zur Hand und stürzt sich mit einem barbarischen Schrei auf das Monster. Er rammt ihm den Pflock mitten in die Brust, doch verfehlt das Herz um Haaresbreite. Das Monster ergreift seine Kehle, drückt ihn von sich und grunzt mit tiefer Stimme. „So versagt man als Vater.“ Dann lässt es von ihm ab und stürzt in die Nacht hinaus.

„NEIN!“ Mit diesem Schrei wacht er schweißgebadet und aufrecht sitzend im Bett auf. Neben ihm liegt eine leere Whiskey-Flasche und augenblicklich holt ihn die Realität wieder ein. Sein kaltes Bett, die Einsamkeit und die Dunkelheit. Einsam rinnt ihm eine blutige Träne die Wange hinab und er bleibt minutenlang starr sitzen. Nach unzähligen Augenblicken steht er auf und schaltet das Licht ein. Seine Hände zittern und er geht zur Bar, um seine Nerven erneut mit Whisky zu beruhigen. Während er durstig das Glas leert, fällt sein Blick auf die kleine Schale neben dem Tresen. Er holt ein silbernes Armband heraus und lässt es vorsichtig durch seine Finger gleiten, während es leise klingelt und eine weitere Träne seine Wange mit einem Rinnsal aus Blut befleckt. Fast lautlos verlässt ihr Name seinen Mund. „Lillie.“ Er stellt das Glas zur Seite und betrachtet das kleine Armband. Ihre Mutter hat es ihr geschenkt. Dann atmet er tief durch und legt das Armband zurück. Er greift wieder nach dem Glas, als wäre es ein Anker und geht damit ins Badezimmer. Das Neonlicht wirkt in dem hell gefliesten Raum greller als sonst und er kneift unwillkürlich seine Augen zusammen. Benommen positioniert er sich vor dem Spiegel und weicht seinem eigenen Antlitz aus. Das Glas stellt er kurz ab, um sich das Blut von den Wangen zu waschen. Nach einer Weile hat er sich an das Licht gewöhnt und öffnet seine Augen vollständig, während er sich im Spiegel betrachtet und langsam von seinem Glas trinkt. „Wie konnte das nur geschehen? Ich hätte es nie soweit kommen lassen. Ein Mann, der seine eigene Enkeltochter tötet und seinen eigenen Sohn nicht erkennt… wie konnte das nur geschehen.“ Er atmet tief durch und trinkt wiederholt von dem Glas, während er sich selbst in die Augen blickt. „Es wäre besser gewesen, wenn das Monster in dieser Nacht seinen Tod gefunden hätte, wenn er es verfolgt und vernichtet hätte.“ Es treibt ihm erneut die Tränen ins Gesicht. „Aber was hat er nur getan? Er wurde zu dem, was er so gefürchtet hat in jener Nacht, zu dem selben Monster, dass seine Tochter auf dem Gewissen hat und sich einst sein Vater nannte.“ Er zieht traurig seine Augenbrauen zusammen und es entweichen ihm unkontrolliert blutige Tränen, die das weiße Waschbecken unter ihm langsam rot färben. Ein Schluchzen verlässt seine Kehle und er blickt an sich herab. „So… versagt man… als Vater.“ Dann hebt er wieder seinen Blick und starrt auf seine Brust, die bis heute von jener Nacht gezeichnet ist und so streicht er mit seiner Hand langsam über die Narbe an seiner Brust, die nur knapp an seinem Herzen vorbei führt.

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